Page 227 - KEF-23-Bericht-Flipbook
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23. Bericht | Kapitel 7 Erträge   Tz. 401 Die zugleich gestellten Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel der vorläufigen Inkraftsetzung der Beitragserhöhung bereits zum 1. Januar 2021 hat das Bundesverfassungs- gericht abgelehnt. In der Hauptsache folgte es aber im Wesentlichen den Anträgen der Beschwerdeführer und ordnete die vorläufige Geltung von Art. 1 des Ersten Medienänderungsstaatsvertrags mit Wirkung zum 20. Juli 2021 bis zum Inkrafttreten einer staatsvertraglichen Neuregelung an. Wesentliche Aussagen des Bundesverfassungsgerichts sind: ƒ Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG konstituiert eine staatliche Handlungspflicht zur funktionsgerechten Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Daraus resultiert ein mit Verfassungsbeschwerde durchsetzbarer grundrechtlicher Finanzierungsanspruch der Rundfunkanstalten nicht nur gegen die Ländergesamtheit als Beitragsgesetzgeber, sondern auch gegen jedes einzelne Land. ƒ Die Länder bilden eine föderale Verantwortungsgemeinschaft, in der jedes Land Mitverantwortungsträger ist. Da (derzeit) nur eine länderübergreifende Regelung den Grundrechtsschutz der Rundfunkanstalten verwirklichen kann, vermag ein einzelnes Land nicht von der Empfehlung der Kommission abzuweichen. Eine Abweichung von der Bedarfsfeststellung der Kommission ist vielmehr nur durch alle Länder einvernehmlich und unter der Voraussetzung einer verfassungsrechtlich zulässigen Begründung möglich. Hält ein Land eine Abweichung für erforderlich, ist es Sache dieses Landes, das Einvernehmen aller Länder herbeizuführen. ƒ Der Gesetzgeber kann den Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Gestaltung von Auftrag und Struktur im Rahmen der allgemeinen Rundfunkgesetzgebung begrenzen. Hierbei hat er die grundrechtlich geschützte Programmfreiheit der Anstalten zu beachten. ƒ Das Gebot der Trennung der Beitragsfestsetzung von der medienpolitischen Konkretisierung des Rundfunkauftrags ist durch das bestehende dreistufige Verfahren zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags verfassungsgemäß prozedural abgesichert. Die Bedarfsanmeldung auf erster Stufe sichert, dass der aus den Programmentscheidungen der Rundfunkanstalten resultierende Bedarf Grundlage der Bedarfsermittlung ist. Damit sich die Anforderung der finanziellen Mittel verfassungsgemäß – namentlich ohne unzulässige Kontrollen der Vernünftigkeit oder Zweckmäßigkeit der jeweiligen Programmentscheidung – auf das Funktionsnotwendige beschränkt, ist eine fachliche Prüfung frei von politischen Einflüssen geboten. Dem fachlichen Charakter dieser Prüfungs- und Ermittlungsaufgabe entspricht die Übertragung an die Kommission als sachverständig zusammengesetztes Gremium. Im gegenwärtigen System ist der Bedarfsfeststellung durch die Kommission ein maßgebliches Gewicht beizumessen, das über eine bloße Entscheidungshilfe für den Gesetzgeber hinausreicht. ƒ Das gestufte und kooperative Verfahren schließt Abweichungen von der Bedarfsfeststellung der Kommission zwar nicht gänzlich aus, beschränkt diese jedoch auf Gründe, die vor der Rundfunkfreiheit Bestand haben. Primär kommt etwa die angemessene Belastung der Beitragszahler in Betracht, wobei für eine solche Abweichung Tz. 401  225 


































































































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